Zweifelhaftes Start-up

Sicher, auch Nudisten kaufen Schmuck, aber ob dieses Marktsegment groß genug ist, um Profit zu machen, scheint zweifelhaft. Andererseits geht der Trend ja eindeutig hin zu hybriden Geschäftsmodellen: Beim Metzger bekommt man inzwischen einen gar nicht so schlechten Cappuccino und Friseure bieten neben herkömmlichen Dienstleistungen wie Psychoanalyse inzwischen auch KfZ-Inspektionen an. Am Ende regelt der Markt das, wie immer.

Dubious start-up – Sure, nudists also buy jewelry, but it seems doubtful whether this market segment is large enough to make a profit. On the other hand, the trend is clearly moving towards hybrid business models: you can now get a not-so-bad cappuccino at the butcher’s and hairdressers now offer vehicle inspections in addition to conventional services such as psychoanalysis. In the end, the market will regulate it, as always.

Im Café Vollpension in Wien

In der MUK, der Musik- und Kunst-Privatuni der Stadt Wien findet man eine der Filialen des sogenannten Generationencafés, das alten Leuten mit geringer Pension Beschäftigung gibt und einen Zuverdienst erlaubt. Darum schmeckt der Kuchen wie bei Oma, wobei Leute, deren Oma auch das Teewasser hat anbrennen lassen, vermutlich lieber woanders hingehen würden. Dazu besteht hier aber wirklich kein Grund. Die Einrichtung des Cafés ist laut Selbstbeschreibung „Turbokitsch“. Ob das zutrifft, ist wohl Geschmacksache, aber keineswegs kitschig, sondern schön ist, dass kein Stuhl dem anderen gleicht. Das ist gut so, denn schließlich gilt das auch für die Menschen, die auf den Stühlen sitzen. Nur was den Kuchen betrifft, darf es morgen gerne das Gleiche sein. Und übermorgen auch.

At Café Vollpension in Vienna – In the MUK, the private music and art university of the city of Vienna, you will find one of the branches of the so-called Generation Café, which gives old people with a low pension an occupation and allows them to earn extra money. That’s why the cake tastes like grandma’s, although people whose grandma also let the tea water burn would probably prefer to go somewhere else. But there’s really no reason for that here. The café’s interior is, according to its own description, „turbo kitsch“. Whether that’s true is a matter of taste, but it’s by no means kitschy but nice that no two chairs are the same. That’s a good thing, because that also applies to the people sitting on the chairs. But as far as the cake is concerned, it can be the same tomorrow. And the day after tomorrow too.

Herbstbeginn

Leider ist nun auch dieser Sommer zu Ende gegangen. Die Temperaturen sinken, bald beginnt die Heizperiode und auch der Sommerkörper muss in die Reinigung und danach in den Schrank. Das ist eben der Lauf der Zeit, aber wenn die Bundesregierung nicht endlich etwas dagegen unternimmt, dann werden sie die Wahlen im nächsten Jahr auf jeden Fall verlieren. Friedrich Merz verspricht ja schon blühende Landschaften.

Beginning of autumn – Unfortunately, this summer has now come to an end. The temperatures are falling, the heating season is about to begin and the summer body also needs to be cleaned and then put away. That is just the way things are going, but if the federal government does not finally do something about it, they will definitely lose the elections next year. Friedrich Merz is already promising blooming landscapes.

Neues aus der Literaturgeschichte (3)

Wie italienische Forscher mitteilen, wurden in einem Archiv in Florenz Dokumente gefunden, die ein neues Licht auf die Entstehungsgeschichte von Dantes Hauptwerk werfen. Anscheinend musste Dante sein Haushaltswarengeschäft aufgeben und Florenz verlassen, weil er seine Rechnungen im auf der anderen Straßenseite liegenden Lokal „Inferno“ nicht mehr bezahlen konnte und von der Wirtin namens Beatrice verklagt worden war. Dass Dante daraus eine romantische Liebesgeschichte gesponnen hat und die Wahrheit in Vergessenheit geriet, beweist, dass er seinen Status als Begründer der italienischen Sprache bis heute zurecht halten konnte.

History of literature news – As Italian researchers report, documents have been found in an archive in Florence that shed new light on the origins of Dante’s main work. Apparently, Dante had to give up his household goods business and leave Florence because he could no longer pay his bills at the „Inferno“ bar across the street and was sued by the landlady, Beatrice. The fact that Dante spun a romantic love story out of it and the truth was forgotten proves that he rightfully has been able to maintain his status as the founder of the Italian language to this day.

Im Café Ministerium in Wien

Im Café Ministerium gibt es alles, wofür man ins Kaffeehaus geht, vor allem Ruhe und Frieden. Um hineinzukommen, muss man keine Beziehungen haben und keinen Antrag stellen, das sollte man wissen. Aber auch wenn es unangenehm ist, es auszusprechen: Das Beste am Café Ministerium ist, dass man, wenn man drin ist, nicht das furchtbare Kriegsministerium sehen muss, das draußen breitbeinig am Ring herumlungert und jedem mit einer Tracht Augenprügel droht, der es schief anschaut. Darum: lieber ein Achterl zu viel bestellen, damit man länger sitzen bleiben kann, aber nicht so viele Achterl, dass man alles doppelt sieht, denn das wäre, weil man ja doch irgendwann wieder hinausmuss, nicht auszuhalten.

At the Café Ministry in Vienna – At the Café Ministry you can find everything you go to a coffeehouse for, especially peace and quiet. You don’t have to have connections or apply to get in, that’s something you should know. But even if it’s unpleasant to say: the best thing about the Café Ministry is that when you’re in, you don’t have to see the terrible War Ministry, which is lounging around outside on the Ring with its legs apart and threatening to punch anyone who looks at it the wrong way. So it’s better to order an eighth of a liter too many so that you can stay seated longer, but not so many eighths that you see everything twice. That would be unbearable, because you’ll have to leave at some point anyway.

Andere Länder, andere Sitten (8)

Ein Dienstleistungsgewerbe, das von einem Wahlsieg Trumps und der Umsetzung von Projekt 2025 sicher profitieren würde, ist der Lynch Outdoor Services. Dieses Traditionsgewerbe ist in den vergangenen 100 Jahren, insbesondere durch die Bürgerrechtsbewegung, etwas in Verruf geraten. Aber Qualitätsarbeit wird sich immer durchsetzen, sofern die Rahmenbedingungen stimmen.

Different countries, different customs – One service industry that would certainly benefit from a Trump victory and the implementation of Project 2025 is Lynch Outdoor Services. This traditional industry has fallen into disrepute over the past 100 years, particularly as a result of the civil rights movement. But quality work will always prevail, provided the conditions are right.

*hüstel hüstel

Als sich die italienischen Einwanderer 1919 in Montreal eine Kirche gebaut haben, wollten sie es sich hübsch machen und tatsächlich ist der Innenraum der Kirche zwar ein eklektizistischer Fiebertraum, aber durchaus schön anzusehen. Jedenfalls denkt man das, bis man das Fresko in der Apsis näher betrachtet.

Dort wird nicht nur der Duce zu Pferde gefeiert, sondern auch die Kollaboration der katholischen Kirche mit dem italienischen Faschismus verklärt.

Die christliche Missionierung der Afrikaner, die hier fast durchweg als Kinder dargestellt werden, war freilich kein zivilisatorisches Projekt, sondern brutaler Kolonialismus. Eine historische Einordnung, gar eine kritische, findet sich nirgends im Gebäude; man scheint bis heute kein Problem mit dem Fresko zu haben, so wie ja auch ein Großteil der Italiener in Italien ein ziemlich ungezwungenes Verhältnis zum Faschismus pflegt. Als Deutscher kann man das befremdlich finden, zumindest solange, bis das Bürgertum unter dem Druck der Höcke-Nazis dann doch die bildungspolitische Wende um 180 Grad vollzieht.

*cough cough – When the Italian immigrants built a church in Montreal in 1919, they wanted to make it look pretty and, although the interior of the church is an eclectic fever dream, it is certainly beautiful to look at. At least, that’s what you think until you take a closer look at the fresco in the apse. It not only celebrates the Duce on horseback, but also glorifies the collaboration of the Catholic Church with Italian fascism. The Christian missionization of the Africans, who are almost always portrayed as children, was of course not a civilizing project, but brutal colonialism. There is no historical classification, let alone a critical one, anywhere in the building; to this day, no one seems to have a problem with the fresco, just as the majority of Italians in Italy have a fairly relaxed relationship with fascism. As a German, you may find this strange, at least until the bourgeoisie, under pressure from the Höcke-Nazis, makes a 180-degree turn in educational policy.

Währenddessen auf der anderen Seite des großen Teichs

Auf Ellis Island kann man im Museum gegen eine Gebühr von 10$ eine halbe Stunde lang in der Datenbank der Passagierlisten aller Schiffe, die Einwanderer hierhergebracht haben, nach Familienanghörigen suchen. Das hätten sich die Leute damals auch nicht träumen lassen, dass ihnen die bucklige Verwandtschaft, der sie mehr oder weniger glücklich entflohen waren, Jahrzehnte später noch auf den Fersen sein würde. Anders als die armen Schweine, die auf dieser Insel in Sichtweite der verlogenen grünen Dame teils für Monate auf die Erlaubnis warten mussten, das Boot nach Manhattan betreten zu dürfen, darf ich schon am frühen Abend wieder weg. Der Andrang ist aber so groß, dass die anlandenden Fähren nur einen kleinen Teil der Passagiere mitnehmen und ich eine Stunde lang inmitten einer Masse mit den Händen plappernder Italiener im Regen warten muss. Ein relativ authentisches Ellis-Island-Erlebnis also.

Meanwhile, on the other side of the pond – On Ellis Island, for a fee of $10, you can spend half an hour in the museum searching for family members in the database of passenger lists of all ships that brought immigrants here. People back then would never have dreamed that the hunchbacked relatives they had more or less happily escaped would still be on their heels decades later. Unlike the poor bastards who had to wait for months on this island within sight of the lying green lady for permission to board the boat to Manhattan, I am allowed to leave early in the evening. But the crowds are so big that the ferries that land only take a small number of passengers and I have to wait for an hour in the rain in the middle of a crowd of Italians chattering with their hands. A relatively authentic Ellis Island experience.

Wahrheit und Dichtung

Es stimmt, New York schläft nie, was vor allem daran liegt, dass New York eine Stadt ist. Die New Yorker dagegen sind ziemlich ausgeschlafen, wenn es darum geht, einem das Geld aus der Tasche zu leiern. Sie lassen einen nie aus den Augen und wissen sofort, wann man etwas braucht, was man gar nicht haben möchte. Das ist vor allem deshalb überraschend, weil an wirklich jeder Ecke zu jeder Zeit jemand eine Zigarettenpause macht, aber keinen Tabak raucht. Die ganze Stadt stinkt permanent nach Gras. Möglicherweise ist es ja von Vorteil, wenn man bei der Arbeit dicht ist, aber ich kann mir keine Dienstleistung vorstellen, die ich von einem schläfrigen Bekifften ausgeführt sehen will. Vielleicht bin ich da zu unentspannt.

Truth and Fiction – It’s true that New York never sleeps, which is mainly because New York is a city. New Yorkers, on the other hand, are pretty well-rested when it comes to getting money out of your pocket. They never let you out of their sight and know immediately when you need something you don’t want. This is particularly surprising because on every corner, at all times, someone is taking a cigarette break, but not smoking tobacco. The whole city constantly stinks of weed. Maybe it’s an advantage to be stoned at work, but I can’t imagine a service that I would want to see performed by a sleepy stoner. Maybe I’m too tense.

Im Café Diglas in Wien

Das Diglas scheint immer sehr gut besucht zu sein. Man ist auf den Massenandrang aber gut vorbereitet und betreibt ein mechanisches Klavier, das die Wünsche des touristischen Publikums erfüllt, bevor sie noch geäußert werden und das, ohne mit den Augen zu rollen und einen urwienerischen Fluch zu nuscheln. Der Platzanweiser ist ein hagerer Riese, der den Überblick hat und darüber hinaus alle urwienerischen Flüche in zehn Sprachen nuscheln kann.

At Café Diglas in Vienna – The Diglas always seems to be very busy. But they are well prepared for the crowds and operate a mechanical piano that fulfills the wishes of the tourist public before they are even expressed and does so without rolling his eyes or mumbling a typical Viennese curse. The usher is a gaunt giant who has the overview and can also mumble all the typical Viennese curses in ten languages.