Ja und?

Neulich in Wien habe ich meine bildungsbürgerliche Pflicht getan und selbstverständlich auch die berühmte Strudelhofstiege besichtigt, die der Schriftsteller Doderer in Roman und Gedicht so zauberhaft verewigt hat. Manche Leute, die mir auf der Treppe entgegenkamen, sahen mich, wie mir schien, mit einer Melange aus Mitleid und Spott an, als würden sie denken: Noch so ein Piefke, der nur herkommt, um sich eine depperte Treppe anzuschauen! – Wiener, was soll ich sagen, Ihr habt recht. Aber die Deutschen hatten schon schlechtere Gründe Wien zu besuchen, vergesst das nicht! Ich will’s nur gesagt haben.

So what? – Recently in Vienna I did my bourgeois duty and of course also visited the famous Strudelhof stairs, which the writer Doderer immortalized so enchantingly in novel and poem. Some of the people who met me on the stairs looked at me, it seemed to me, with a mélange of pity and mockery, as if they were thinking: Another kraut who only comes here to look at a stupid staircase! – Viennese, what can I say, you are right. But the Germans had worse reasons to visit Vienna, don’t forget that! I just want it said.

(erschienen / published inTitanic 7/2023)

Ehrliches Landvolk

Irgendwo in Niederbayern war die automatische Bandansage des Regionalzuges gestört. Die Haltestellen wurden nicht angesagt, dafür erhielt ich kurz vor jeder Ortschaft die Auskunft „Rechts“. Immer noch ein netter Service, aber wer einmal in bayerischen Dörfern unterwegs war, kann sich das nun wirklich selber denken.

Honest country folk – Somewhere in Lower Bavaria the automatic announcement of the regional train was disrupted. The stops were not announced, but I received the information „right“ shortly before each town. Still a nice service, but anyone who has ever been to Bavarian villages can really imagine it for themselves.

(Erschienen / published in Titanic 10/2022)

Nietzschekorrektur

Hab heute mal in den Abgrund geschaut, doch der hat verschämt in eine andere Richtung geguckt. Ich fürchte, man hat ihm lange Unrecht getan.

Nietzsche correction – Today I looked into the abyss, but he looked bashfully in a different direction. I’m afraid he’s been wronged for a long time.

(Erschienen / published in Titanic 5/2022)

Eiertanzvergnügen

Manchmal auf Partys, nachdem ich klargestellt habe, dass ich trotz meines Namens zur Hälfte Kartoffeldeutscher bin, will es jemand genauer wissen. Dann antworte ich „die untere“ und immer schaut der andere dann reflexhaft auf meinen Schritt. Das ist den meisten so peinlich, dass sie sich danach richtig Mühe geben, nicht langweilig zu sein.

Funny eggshells walk – Sometimes at parties, after I’ve made it clear that, despite my name, I’m half potato German, someone wants to know more. Then I answer „the lower one“ and the other person always looks at my crotch as a reflex. This is so embarrassing for most of them that they try really hard afterwards not to be boring.

(Veröffentlicht / Published in Titanic 4/2022)

Ach, Doc Morris!

„Was ist eigentlich das Wichtigste im Leben?“ fragst du uns. Wir ahnen aber, dass Du die Antwort schon kennst, schließlich bist Du der Doc: „Ich glaube leben, etwas erleben, sich ausleben“. Danke, da wären wir gar nicht drauf gekommen. Und wie stellst Du dir das vor? „Mit Medikamenten, die man online bestellen kann.“ Oje, das ist ja traurig. Und dafür hast Du studiert? Wir dagegen glauben, das Wichtigste im Leben ist, sich von Dummschwätzern wie Dir nicht sagen zu lassen, was das Wichtigste im Leben ist. Weißt Du, wenn Du wirklich „das neue Gesund“ sein solltest, dann bleiben wir lieber beim alten. Hat was gegen dich: Titanic

Oh, Doc Morris! – “What is actually the most important thing in life?” you ask us. We suspect, however, that you already know the answer, after all, you are the Doc: „I believe to live, to experience something, to act out“. Thank you, we wouldn’t have thought of that. And how do you imagine that? “With drugs that can be ordered online.” Oh dear, that’s sad. And that’s what you studied for? We, on the other hand, believe that the most important thing in life is not to let idiots like you tell us what the most important thing in life is. You know, if you really should be „the new healthy“, then we’d rather stick with the old one. Has something against you: Titanic

Erschienen / Published in Titanic 2/2022

Sie, Stefanie Giesinger,

sind Model und machen Werbung für einen WebHost mit dem bescheuerten Namen „GoDaddy“. In einem Filmchen loben Sie die Website einer Sportlerin und finden es toll, wie diese „superstark ihre messages transportiert“. Haben Sie da nicht etwas verwechselt? Die Dame ist Kunstturnerin und nicht Briefträgerin. Das ist zwar auch ein schwerer Beruf, aber trotzdem keine Sportart. Wenn Sie Botschaften transportieren wirklich so toll finden, machen Sie doch eine Ausbildung bei der Rohrpost. Hohl sind Sie ja schon. Ihre Berufsberater auf der Titanic

You, Stefanie Giesinger, are a model and advertise a web host with the stupid name „GoDaddy“. In a little film you praise an athlete’s website and think it’s great how she “transports her messages super powerfully”. Didn’t you mix up something? The lady is a gymnast and not a postman. It’s a tough job, but it’s still not a sport. If you really think that transporting messages is so great, why not do an apprenticeship with Pneumatic Mail. You’re already hollow. Your career advisor on the Titanic

Erschienen / Published in Titanic 10/2021

Warum Sie, Daniel Föst,

in München für die FDP kandidieren, interessiert uns nicht, aber warum Sie sich auf einem Plakat, die Ärmel hochkrempelnd, so elliptisch wie unterkomplex als „Vater. Münchner. Macher.“ vorstellen, das dürfen Sie uns gerne erklären. Dass Sie sich erfolgreich fortpflanzen konnten, freut uns für Sie, allerdings ist das keine Qualifikation für den Bundestag, denn dort geht es bekanntlich wenig erotisch zu. Dass Sie Münchner sind, liegt in der Natur der Sache, das ist also eine überflüssige Information. Bleibt noch zu klären, was Sie da so machen, das Sie zu einem Macher macht. Viele Worte sind es offenbar nicht, das ist ja durchaus sympathisch. Da Sie nun schon die Ärmel oben haben: Wollen Sie sich nicht nützlich machen und uns beim Abwasch zur Hand gehen? Macht derweil ein Bierchen leer: Titanic

Why you, Daniel Föst, are running for the FDP in Munich, we don’t care, but why you put yourself on a poster, rolling up your sleeves, and describe yourself as elliptical and subcomplex as “Father. From Munich. Maker.”, you should explain. We are happy for you that you were able to reproduce successfully, but this is not a qualification for the Bundestag, because it is known that there is little eroticism there. The fact that you are from Munich is in the nature of things, so that is superfluous information. It remains to be clarified what you are doing there that makes you a maker. Obviously you do not many words, that’s really nice. Now that you’ve got your sleeves up: Don’t you want to make yourself useful and help us wash the dishes? Meanwhile, emptying a beer: Titanic

(Erschienen / published in Titanic 9/2921)

Rrrechtschrrreibrrreform

Nachdem inzwischen Monstrositäten wie ‚Schifffahrt’ und ‚Balletttruppe’ legal sind, einigen sich die Duden-Redaktion und die Gesellschaft für deutsche Sprache darauf, als Zugeständnis an konservative und rückwärtsgewandte Kreise bzw. Greise, die Schreibung der Aussprache in der Frühzeit von Film und Fernsehen anzupassen. Künftig wird es also wieder ‚Rrrichter’, ‚Rrraketenwerfer’ und ‚Rrrevanchist’ heißen.

Spelling Rrreform – Now that monstrosities such as ’shippping‘ and ‚balletttroupe‘ are legal, the Duden editorial team and the Society for German Language agree, as a concession to conservative and backward-looking circles and doters, to adapt the spelling to the pronunciation in the early days of film and television. Therfore, in future it will be called ‚corrrupt judge‘, ‚rrrocket launcher‘ and ‚rrrevanchist‘ again.

(Erschienen / published in Titanic 9/2021)

Hello again, Jeffrey Toobin!

Sie sind ein US-amerikanischer Publizist und auch hiesigem Publikum vor allem dadurch bekannt geworden, dass das Magazin New Yorker Sie entlassen hat, nachdem Sie im Oktober letzten Jahres während einer Zoom-Konferenz, im Glauben, die Kamera sei ausgeschaltet, masturbiert haben. Nun sind Sie als Talking Head zu CNN zurückgekehrt. Dort bekannten Sie sich offen zu Ihrem Vergehen, versicherten jedoch, seither versucht zu haben, „ein besserer Mensch“ zu werden, dem man „wieder vertrauen“ könne, weshalb Sie u.a. bei einer Tafel arbeiten und sich in Therapie begeben haben. Gegen beides ist nichts einzuwenden, allerdings scheint es, als möchten Sie so verstanden werden, dass der Drang, sich während einer langweiligen Zoom-Konferenz mit Masturbation zu entspannen, etwas sei, das der Therapie bedürfe. Nun lieben die Amis ja nichts mehr als den reuigen Sünder, doch wenn dies wirklich das ist, was Sie ihnen verkaufen wollen, möge Ihnen, Sie Heuchler, die rechte Hand verfaulen! Völlig entspannt: Titanic

Hello again, Jeffrey Toobin! – You are an American publicist and best known to local audiences for being fired by New Yorker magazine after you masturbated believing the camera was off during a Zoom conference last October. You have now returned to CNN as a Talking Head. There you openly confessed to your offense, but assured you that you have since tried to become “a better person” who can be “trusted again”, which is why you worked at a food bank and went into therapy. Now there is nothing wrong with either, but it seems like you want to be understood that the urge to relax with masturbation during a boring zoom conference is something that needs therapy. Now the Americans love nothing more than the repentant sinner, but if this is really what you want to sell them, may your right hand rot, you hypocrite! Completely relaxed: Titanic

(Erschienen / published in Titanic 8/2021)

Aha, Bora Lüftungstechnik!

Du bist ein oberbayerisches Unternehmen, das Kochfeldabzugsysteme entwickelt, und du bewirbst deine Produkte mit dem auch historisch interessanten claim, diese würden „aus Küchen echten Lebensraum“ machen. Wenn das der Führer gewusst hätte, wärst heute nicht du der Vorreiter in Kochfeldabzugsystemen, sondern das Unternehmen Barbarossa. Gruß aus der verqualmten Kombüse: Titanic

Aha, Bora ventilation technology! – You are an Upper Bavarian company that develops cooktop extractor systems, and you advertise your products with the also historically interesting claim that they would „turn kitchens into real living space“. If the Führer had known, you would not be the pioneer in cooktop extractor systems today, but the Barbarossa company. Greetings from the smoke-filled galley: Titanic

Erschienen / published in Titanic 5/2021