Köpfe in Cafés (5)

Am Anfang der Via Garibaldi gibt es diese kleine Bar, die den Vorteil hat, dass dort meistens vom Wasser her ein Wind geht und die Mücken tiefer in die Straße hineinweht. Außerdem ist der Ort nicht schlecht geeignet, um Menschen zu beobachten und zu zeichnen, so z.B. den Mann mit dem langen Hals, die Frau mit der Mickey-Maus-Frisur und die Damen, die ihre Kleider im Wind wehen ließen. Am Tisch nebenan lärmten ein paar angeschickerte, ältere deutsche Lehrerinnen, aber zum Glück nicht lange. Ein Zausel und seine Begleiterin warteten eine gute halbe Stunde schüchtern etwas abseits stehend, bis ein Tisch frei wurde und bestellten vor Freude darüber gleich eine Flasche Wein. Später ersetzten zum Feierabend herausgeputzte Anwohner die vom Nichtstun erschöpften Touristen. Vielleicht ist das Lokal auch so beliebt, weil der Wirt ein bissl Theater macht und der Kellner die in der Hitze dampfenden Gäste zwischendurch mit einer Wasserpistole beschießt.

Heads in cafes
At the beginning of Via Garibaldi there is this little bar, which has the advantage that there is usually a wind coming from the water which blows the mosquitoes deeper into the street. Moreover, the location is not bad for observing and drawing people, e.g. the man with the long neck, the woman with the Mickey Mouse hairstyle and the ladies who let their clothes blow in the wind. At the table next to ours, some older tipsy German teachers were brawling, but fortunately not for long. An old buffer and his companion waited shyly for about half an hour until a table was set free and ordered a bottle of wine for joy. Later, dressed up residents replaced the tourists who were exhausted by idleness. Maybe the place is so popular, because the host knows to act up and the waiter likes to shoot at the sweltering guestes with a water gun.

Angenehme Begegnung

Auf der Giudecca, am frühen Abend der Festa del Redentore, auf das Feuerwerk wartend, sitzen wir vor dem Haus, in dem einmal der Schauspieler U. Tukur gewohnt hat und vertreiben uns die Zeit. Da bleibt die alte Dame im geblümten Kleid an unserem Tisch stehen, sie habe uns Deutsch sprechen gehört. Bevor wir überhaupt wissen, wie uns geschieht, erzählt sie uns auch schon in deutlich erkennbarem Badisch ihre Lebensgeschichte. Sie habe sich 1955 in einen italienischen Uhrmacher verliebt und sei ihm nach Venedig gefolgt, wo Junghans auf der Giudecca eine Fabrik betrieben habe. Zufällig hat P. eine Junghans am Arm, aber ein späteres Modell. Sie ist dennoch erfreut. Ob das nicht sehr schwer gewesen sei in der damaligen Zeit, mit einem Italiener auszugehen? Ja, bestätigt sie fröhlich: „Es war ein Kampf!“ – Im Laufe des Abends sehen wir sie noch dreimal. Sie hat das Kleid gewechselt und unsere Unterhaltung schon vergessen: „Kennen Sie mich?“

Pleasant encounter
On the Giudecca, in the early evening of the Redentore festival, waiting for the fireworks, we are sitting in front of the house where the actor U. Tukur once lived, whiling away the time. Suddenly an old lady in a flowered dress stops at our table, she heard us speaking German. Before we even know what is happening, she tells us her life story in clearly recognizable badish dialect. She fell in love with an Italian watchmaker in 1955 and followed him to Venice, where Junghans had a factory at the Giudecca. By chance, P. has got a Junghans on his wrist, but a later model. She is still pleased. Wasn’t it very difficult in those days to go out with an Italian? Yes, she cheerfully confirms: „It was a fight!“ – During the evening we see her three more times. She changed the dress and forgot our conversation: „Do you know me?“

Köpfe in Cafés (1)

In Venedig in einer Bar sitzen, einen Spritz Campari oder bianco in der einen Hand, einen Stift in der anderen die Leute beobachten: Auffällig ist, dass Asiaten zum Sonnenschirm tendieren, während Männer unter 30 fast ausschließlich den Undercut pflegen, nicht wenige davon mit einem kleinen Vogelnest obendrauf. Die Damen tragen wie immer Hut.

Heads in cafes
Sitting in a bar in Venice, a spritzer Campari or bianco in one hand, a pen in the other, watching people: It is striking that Asians tend to parasol, while men under 30 almost exclusively cultivate the undercut, not a few of them with one small bird’s nest on top. The ladies wear hats as usual.

Gesegnetes Frühstück

Da mein Lieblingsplatz in einen Rummel verwandelt wurde, müssen wir einen Campo weiter ziehen, um morgens in Ruhe einen Macchiato und ein Brioche genießen zu können. Ein alter Mann bringt jeden Tag eine Kiste Teiglinge der Drei-Marien-Großbäckerei, mein Brioche ist also dreifach gesegnet. Gut zu wissen.

Blessed breakfast
Since my favorite place has been turned into a fairground, we have to move a Campo farther to enjoy a morning macchiato and a brioche in peace. An old man delivers a box of dough pieces by the Three-Marys-Industrial-Bakery every day, so my brioche is blessed three times. Good to know.

Manche mögen es laut

Mein Lieblingsplatz in Venedig, auf dem sonst relativ wenig Betrieb ist, hat sich unerwartet in einen Rummel verwandelt, da der örtliche Wohltätigkeitsverein eine einwöchige wohltätige Wohltätigkeitsveranstaltung veranstaltet, die mit unserer An- und Abreise wenig glücklich zusammenfällt. Wir haben uns in der Hoffnung auf eine ruhige Zeit in Unkenntnis dieses Umstandes zwei Stockwerke darüber eingemietet und müssen nun morgens zwischen Hunderten von Bierbänken (und einigen Bierleichen) Slalom laufen und abends das Ende des allabendlichen Livekonzerts abwarten. Der Grill ist größer als meine Küche und hat einen etwa sechs Meter hohen Kamin, aber das ist auch nötig, denn der Platz ist jeden Abend mit etwa 2000 Menschen gefüllt, die trotz der großen Hitze auch großen Hunger haben. Einen schönen Kontrast bildet da die Frau, die morgens friedlich Petersilie putzend das spätere Gelage unwirklich erscheinen lässt.

Some like it loud
My favorite spot in Venice, which is otherwise relatively uninhabited, has unexpectedly turned into a fairground, as the local charity organizes a one-week-long charity event that unfortunately coincide with our arrival and departure. Hoping for a quiet time in ignorance of this circumstance, we have rented an apartment two floors above it and now have to do a slalom between hundreds of beer benches (and some dead drunks) in the morning and wait for the end of the nightly live concert. The barbecue is larger than my kitchen and has a six-meters-high chimney, but that is necessary, because every evening the square is filled with about 2000 people, who are very hungry despite the heat. A nice contrast is formed by the woman, peacefully cleaning parsley in the morning, so the subsequent feast seems unreal.

Zweitverwertung

Heute ist der letzte Tag der Ausstellung von Werken des ghanaischen Künstlers El Anatsui im Haus der Kunst in München. Um eines der Ausstellungsstücke akkurat zu zeichnen, würde ich vermutlich länger brauchen als es dauerte, es herzustellen, denn seine Werke bestehen meist aus Tausenden zu Plättchen und Ringen verformten Flaschenverschlüssen und bedecken oft fast völlig die riesigen Wandflächen des HdK. Ich habe es mir daher ein wenig einfacher gemacht, so dass ich danach mehr Zeit hatte, selbst eine Flasche zu leeren. Das war dann zwar keine Kunst, aber dennoch schön.

Recycling
Today is the last day of the exhibition of works by the Ghanaian artist El Anatsui at the Haus der Kunst in Munich. In order to accurately draw one of the exhibits it would probably take longer than it took to make it, because the works usually consists of thousands of bottle caps shaped into platelets and rings and often almost completely cover the huge wall surfaces of the HdK. So I made it a little easier for me to have more time afterwards to empty a bottle myself. Not quite an art, but it was beautiful too.