In eigener Sache
Vor ein paar Tagen habe ich auf einer US-amerikanischen Video-Plattform einen Schnipsel aus der Show des US-amerikanischen Komikers Stephen Colbert gesehen, der den US-amerikanischen Physiker und Wissenschaftskommunikator Neil deGrasse Tyson interviewt und ihn einen „Lehrer“ nennt, weil er „einer der größten Erklärer“ sei, die er kenne. Nicht, dass Sie mich jetzt falsch verstehen: Ich schätze Mr. Tyson. Er ist sympathisch und schlau und ich stimme in vielem mit ihm überein. Seine Begeisterungsfähigkeit ist auf jeden Fall eine Eigenschaft, die ein Lehrer haben sollte. Nun ist ‚Lehrer’ aber auch keine geschützte Berufsbezeichnung. Wer Unterricht im Nasebohren anbietet, soll sich gerne ‚Nasebohrlehrer’ nennen dürfen. Von mir aus. Tyson hat in den 80er- und frühen 90er-Jahren an Universitäten gearbeitet und dort sicher auch gelehrt. Aber seitdem ist er vor allem als Wissenschaftsjournalist und TV-Persönlichkeit bekannt. Leider ist den meisten Menschen unklar, was ein Lehrer tatsächlich macht; also jemand, der an einer Schule arbeitet. Die meisten Menschen verstehen auch nicht, wie man anderen Menschen etwas beibringen kann. Ihre Vorstellungen sind von Kinofilmen geprägt, in denen einer eine motivierende Rede hält, dann etwas über eine Sache erzählt und die Schüler auffordert, sich das zu merken und es ihm gleichzutun. Und dann tun es die Schüler tatsächlich und alle sind zufrieden. Auf dem rechtsextremen US-amerikanischen Sender Fox News hat einmal ein ausgemachter Schwachkopf die Frage gestellt, wozu man überhaupt diese staatlichen Schulen brauche. Die coronabedingten Schulschließungen hätten doch bewiesen, dass es genüge, den Kindern ein Video zu zeigen. So komme man mit einem Lehrer aus und müsse nicht Tausende davon bezahlen. Irgendjemand werde mit dieser einfachen Geschäftsidee einmal viel Geld machen. Es ist klar, dass der Trottel diesen Unsinn nicht wirklich glaubt, aber er wird eben von Leuten bezahlt, die das öffentliche Schulsystem zerstören wollen, um mit Privatschulen viel Geld zu verdienen. Und außerdem kann die herrschende Klasse ihre Macht nur sichern, wenn die große Masse dumm bleibt. So weit sind wir in Deutschland zum Glück noch nicht. Dennoch wissen auch hierzulande die meisten nicht, was in einer Schule wirklich passiert. Als Schüler verstehen sie nicht, warum sie lernen sollen, was in den Schulen gelehrt wird. Das brauche man doch später gar nicht. Sie wissen auch meist nicht, wie sie etwas lernen sollen und leider lernen sie das Lernen in den Schulen auch nicht. Und später, wenn sie die Schule verlassen haben, atmen sie auf und sind froh, nie wieder zur Schule gehen zu müssen. Manche lernen dann vielleicht noch auf der Volkshochschule, wie man beim Italiener in dessen eigener Sprache eine Pizza bestellt (wobei der Pizzaiolo tatsächlich aus der Türkei oder aus Pakistan kommt), aber die meisten lernen nur noch unfreiwillig aus Erfahrung und verbringen ihr Leben am Schreibtisch vor dem Rechner und im Stau, zunehmend verbittert und missmutig werdend, bis sie in die Kiste fallen. Was aber alle zu wissen glauben, ist, dass Lehrer vormittags Recht und nachmittags frei haben. Nochmals: Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich will mich gar nicht beschweren. Es gibt schlimmere Jobs. Ich bettele auch nicht um die Anerkennung derjenigen, die ihr Leben vor dem Rechner verbringen. Es ist nur so, dass ich als Lehrer überzeugt bin, dass die Welt verstehbar ist und dass Wahrheit frei macht. Also bitte: Wenn jemand komplizierte Dinge gut erklären kann, ist das toll! Wenn er aber nicht zugleich auch Tausende Seiten Übungen und Prüfungen korrigieren muss, bis er sich den Hintern platt gesessen hat, ist er kein Lehrer. Wenn jemand fähig ist, andere Menschen für etwas zu begeistern, ist das toll, aber wenn er nicht auch zugleich einen Großteil seiner Arbeitszeit mit geist- und sinnlosen Verwaltungstätigkeiten verbringen muss, dann ist er kein Lehrer. Wenn jemand viel über eine Sache weiß und Spaß daran hat, sein Wissen zu teilen, ist das toll. Wenn er aber nicht zugleich darauf gefasst ist, sich jeden Tag mit hormongesteuerten Teenagern, ihren unfähigen Eltern und deren bösartigen Anwälten über Sinn und Berechtigung von Hausaufgaben und Noten zu streiten, dann ist er kein Lehrer. Wenn jemand bereit ist, mehr zu geben als er bekommen wird, ist das toll, aber wenn er nicht zugleich bereit ist, sich von Zombiebürokraten und psychopathischen Vorgesetzten tyrannisieren zu lassen, die sich allesamt aus der Praxis in die Verwaltung geflüchtet haben und nun immer alles besser wissen, dann ist er kein Lehrer. Davon, dass die Toiletten bei BMW besser ausgestattet sind als deutsche Klassenzimmer, will ich gar nicht reden.
Fuck you! – A revile of mankind
On my own behalf
A few days ago I saw a snippet of the show by American comedian Stephen Colbert on a US video platform, who interviewed the US physicist and science communicator Neil deGrasse Tyson and calls him a „teacher“ because he finds him „one of the greatest explainers“. Not that you get me wrong now: I appreciate Mr. Tyson. He’s personable and smart, and I agree with him on a lot. Enthusiasm is definitely a quality that a teacher should have. But ‚teacher‘ is not a protected job title either. Anyone who offers lessons in nose picking should be allowed to call himself a ’nose picking teacher‘. I don’t care. Tyson worked at universities in the 80s and early 90s and certainly taught there. But since then he’s best known as a science journalist and television personality. Unfortunately, most people are unclear what a teacher actually does; I mean someone who works at a school. Most people don’t understand how to teach other people either. Their ideas are shaped by movies in which someone gives a motivating speech, then tells something about a thing and asks the students to remember this and do the same. And then the students actually do it and everyone is happy. On the far right US broadcaster Fox News, an outright idiot once asked what these public schools are good for. The corona-related school closings have proven that it is enough to show the children a video. This is how you make do with only one teacher so you don’t have to pay thousands of them. Someone will make a lot of money with this simple business idea, he said. It is clear that the idiot doesn’t really believe this nonsense, but he is paid by people who want to destroy the public school system in order to make a lot of money with private schools. And besides, the ruling class can only secure its power if the great masses remain stupid. Fortunately, we haven’t got that far in Germany yet. However, in this country too, most of the people do not know what is really going on in a school. As students, they don’t understand why they should learn what is taught in schools. You don’t need that later. They also usually don’t know how to learn something and unfortunately they don’t learn to learn in schools either. And later, when they leave school, they breathe a sigh of relief and are happy never to have to go to school again. Some then maybe learn at the adult education center how to order a pizza at the italian restaurant in their own language (though the pizza maker actually comes from Turkey or Pakistan), but most of them only learn involuntarily from experience and spend their lives at their desk in front of the computer and stuck in a traffic jam, getting increasingly bitter and disgruntled until they kick the bucket. But what everyone thinks they know is that teachers are right in the mornings and free in the afternoons. Again, not that you get me wrong. I don’t want to complain at all. There are worse jobs. Nor do I beg for the approval of those who spend their lives in front of the computer. It’s just that, as a teacher, I am convinced that the world is understandable and that truth makes us free. So please: If someone can explain complicated things well, that’s great! But if he doesn’t have to correct thousands of pages of exercises and exams at the same time until his buttocks are flat, he’s not a teacher. If someone is capable of getting other people excited about something, that’s great, but if he don’t also have to spend a large part of his working time on mindless and pointless administrative activities, then he is not a teacher. When someone knows a lot about something and enjoys sharing it, that’s great. But if he’s not also prepared to argue every day with hormone-controlled teenagers, their incompetent parents, and their vicious lawyers about the purpose of homework and grades, then he’s not a teacher. If someone is ready to give more than he will get, that’s great, but if he is not ready at the same time to be bullied by zombie bureaucrats and psychopathic superiors, all of whom have fled from practice to the administration and now always know better, then he is not a teacher. I don’t even want to talk about the fact that the toilets at BMW are better equipped than German classrooms.