Aus dem Familienalbum (41)

Als ich noch klein war, wünschte ich mir ein Pferd. Ich konnte zwar nicht reiten, aber Pferde kannte ich aus den Lucky-Luke-Comics und aus Karl-May-Büchern, aus denen mir mein Vater abends vorlas, denn lesen konnte ich auch noch nicht. Zu meinem fünften Geburtstag bekam ich dann ein richtiges Pferd, das ich natürlich Tscholly Tschampa nannte, obwohl es gar nicht sprechen konnte. Iltschi und Hatatitla waren zwar auch tolle Pferde, aber die Namen hatte ich schon bei meinen beiden Meerschweinchen verbraucht und eigentlich passten sie zu denen auch viel besser als zu einem Pferd. Laufen wollte Tscholly Tschampa ebenfalls nicht, aber mein Vater meinte, das müsse so sein, denn er stamme von indianischen Wachpferden ab, die sich, einmal aufgestellt, nicht mehr von ihrem Posten wegbewegen würden. So saß ich einen Sommer lang auf meinem Pferd und wir bewachten unseren Garten. Ab und zu vertrieben wir eine Katze. Im Herbst hatte ich keine Lust mehr, denn es wurde so kalt und nass, dass sich nicht einmal mehr die Katzen blicken ließen. Irgendwann hatte ich Tscholly Tschampa vergessen. Eines Tages im Winter entdeckte ich eines seiner Beine im Kamin. Mein Vater rechtfertigte das damit, dass indianische Wachpferde nicht älter als ein Jahr werden und wie jeder anständige Indianer ein Recht auf eine Feuerbestattung hätten. Das leuchtete mir ein und eigentlich war ich auch gar nicht so sehr traurig. Ein paar Jahre später gestand er mir die Wahrheit und wir konnten darüber lachen. Nicht so lustig fand ich es, dass ich mich einmal auf einer Party zum Narren machte, als ich behauptete, Winnetou und Old Shatterhand seien unabhängig voneinander von einer Wölfin gesäugt worden und hätten aber erst am Ende des zweiten Bandes, als sie zum ersten Mal miteinander schliefen, festgestellt, dass sie eigentlich Bruder und Schwester seien. Dass das Blödsinn war, glaubte ich erst, als man es mir schwarz auf weiß zeigte. Mein Vater hat sich fast bepisst vor Lachen.

From the family album – When I was little, I wanted a horse. I couldn’t ride, but I knew horses from the Lucky Luke comics and from Karl May books that my father read to me in the evenings, because I couldn’t read either. For my fifth birthday I got a real horse, which of course I called Tscholly Tschampa, although it couldn’t speak at all. Iltschi and Hatatitla were also great horses, but I had already used the names on my two guinea pigs and actually they went much better with them than with a horse. Tscholly Tschampa also didn’t want to run, but my father said it had to be like that, because he was descended from Indian watch horses, which, once set up, would no longer move from their posts. So I sat on my horse for one summer and we guarded our garden. Every now and then we drive away a cat. In autumn I didn’t feel like it anymore because it got so cold and wet that not even the cats showed up. At some point I forgot Tscholly Tschampa. One winter day I discovered one of his legs in the fireplace. My father justified this with the fact that Indian watch horses do not grow older than a year and, like any decent Indian, have a right to a cremation. That made sense to me and actually I wasn’t that sad at all. A few years later, he confessed the truth to me and we could laugh about it. But I didn’t find it so funny that I once made a fool of myself at a party when I claimed that Winnetou and Old Shatterhand were suckled independently by a she-wolf, but until the end of the second volume, when they first had sex together, they didn’t know that they were actually brother and sister. I only believed that it was nonsense when I was shown it in the books. My father almost pissed himself.